Presse

14. 02. 2011

Kieler Nachrichten (Christian Strehk)

CD-TIPPS DER KIELER NACHRICHTEN

Anika Vavic: Eindrucksvolle pianistische Visitenkarte

Die serbische Pianistin Anika Vavic hat alles, was man heute für eine Karriere braucht: blendendes Aussehen, Charme und technische Brillanz. Viel wichtiger (und seltener!) aber ist ihre stupende Gestaltungsintelligenz und Ausdruckskraft. Ihre in der Wahlheimat Wien produzierte Recital-CD versprüht Energie und Witz, lässt aber auch nie innigen Tiefsinn vergessen.

Das geht gleich bei Beethovens D-Dur-Sonate op. 10 Nr. 3 los. Die energetischen Wellen des Kopfsatzes, die plötzlichen Ausbrüche und dagegengesetzten Fragezeichen werden bestens in Szene gesetzt. Besonders bemerkenswert für eine Pianistin mit Geburtsjahr 1975 aber ist der abgründige Ernst, mit der das „Largo e mesto" schattiert und ausgesungen wird. So viel Schmerz hört man beim „frühen" Beethoven des Jahres 1798 nicht immer.

Kein Wunder, dass die literarisch interessierte Vavic im Beiheft auf den möglichen außermusikalischen Bezug zum Tod der Figur Klärchen aus Beethovens „Egmont" verweist. Und auch kein Wunder, dass die Serbin sich schon immer gern von Künstlern inspirieren und beraten ließ, die Musik ebenfalls nie als vordergründige Vergnügung aufgefasst haben: etwa Elisabeth Leonskaja oder Oleg Maisenberg.

Der gewitzte Spaß an überraschenden Einfällen Beethovens kommt deshalb keineswegs zu kurz, wie die beiden folgenden Sätze zeigen. Selbst ein Barenboim wirkt im Hörvergleich da ein wenig harmlos und zu schöngeistig. Eher denkt man gern an Friedrich Gulda zurück oder registriert, dass in Pianisten von heute die rhetorisch geschliffene Klangrede der aufführungspraktischen Harnoncourt-Revolution sogar auf einem Steinway-Flügel im Hinterkopf schwebt.

Wer dagegen Robert Schumanns Fantasien „Kreisleriana" op. 16 für seine CD-Visitenkarte wählt, muss sich mit einer anderen Größe messen lassen: Wilhelm Kempff. Der fasst ganz im Sinne des literarischen Hintergrunds (E.T.A. Hoffmanns „Lebensansichten des Katers Murr") gleich die Nr. 1 skurriler auf, setzt sperrigere Akzente. Bei ihm wird ganz deutlich, warum Clara Schumann zunächst „abstoßend wirr" fand, was ihr Robert da 1838 als ein neuartiges Schlüsselwerk der romantischen Klaviermusik vorgelegt hatte. Doch Vavic hält dagegen, verweist in ihrer eher von innen heraus bewegten, sehr poetischen und doch pianistisch vollgriffig glänzenden Interpretation mehr auf die Widmung an Fréderic Chopin - und legt wie zum Rückbeweis auf der CD die As-Dur-Ballade op. 47 nach, die der im Pariser Exil lebende Pole als halbherzigen Dank zurückschickte. So wachsen Vavics „Kreisleriana", sehr viel eher als die elegant glatt gezogene Neuaufnahme ihres jungen amerikanischen Kollegen Jonathan Biss, zur spannenden Alternative.

Das gilt sogar für die „lyrische Exzentrik" der sechsten Fantasie, deren „Magie der Stille" als „tiefem Traum von blauer Blume" Joachim Kaiser zu Recht so sehr in der Interpretation von Wilhelm Kempff fasziniert hat. Anika Vavic spielt sie unruhiger, labiler und kontraststrotzender, „erzählt" aber darin eine eigene Geschichte, die am Schluss zu Kempffscher Entrückung findet. Sehr viel pointierter und feurig gewandter als Biss und Kempff erfasst sie den neobarocken Bach-Wahn in Nr. 7. Und eigensinnig lässt sie in Nr. 8 den jeweiligen Spitzenton im Stakkato-Diskant nachklingen - setzt ihn aber so in Beziehung zum unabhängigen Legato-Sinnieren des Basses.

Schließlich hat Vavic auch noch eine attraktive Zugabe auf ihrer CD untergebracht, die mit Leo Tolstoi einen weiteren literarischen Horizont ausweist: Prokofjews zwielichtiger Walzer aus dem Opernepos „Krieg und Frieden" ist eine verführerische Trouvaille, die raffiniert serviert wird. Da merkt man, warum die Pianistin auch gute Kontakte nach Russland pflegt und ein Valery Gergiev gerne mit ihr musiziert.

Anika Vavic. Beethoven, Schumann, Chopin, Prokofieff. Gramola Vienna CD 98889 (Codaex).

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